Dieser Artikel dient zur Aufklärung über unser Verhältnis zum Schönen. In Ahnlehnung an Goethes Programmatik zur seiner Italienreise verschriftliche ich nun einen schon langen verfolgten Gedankengang.

In dieser Betonwelt, eingesperrt durch unsere eigene Menschheit, unser eigenes Virus, sei es Corona oder wir selbst, suche ich nach Trost und nach Antworten. Ich suche nach einer erlösenden Kraft und entfliehe unseren vier Betonwänden, in denen wir wie Sklaven essen, schlafen, arbeiten. Die Sehnsucht nach einem ruhigen Örtchen, weit weg von der Menschheit, weit weg von unserem Erbauten und der Technologie wächst in jenen Tagen. Ich wünsche mir, zu unseren Ursprüngen zurückzukehren, der Natur, welche wir so sehr vernachlässigt haben. Das Wandern und Fahhradfahren sind Mittel zur Flucht. Wir fliehen vor uns selbst und emigrieren für einige Stunden in eine andere Welt ohne Sorgen und ohne Menschen – einer natürlichen Welt?

Nein, unsere Welt ist schon eine natürliche Welt: Wo es den Menschen gibt, erzeugt er Probleme, wo es Probleme gibt, entstehen Sorgen. Man kann durch das Entfliehen in die Natur hinein, sich annähren, an eine unnatürliche Welt ohne Sorgen. Die Sehnsucht nach diesem Ort sinkt jedoch mit jeder Sekunde außerhalb der Zivilisation. Die Einsamkeit zerfrisst uns innerlich. Wir können keinen Schritt mehr weiter weg von unseren vier Wänden gehen, sehnen uns doch nach unseren Pflichten, unserer Arbeit und… ja, auch nach den Problemen dieser Welt. Diese Probleme gehören zu uns! Das Formen und Gestalten gehören zu uns! Sie sind ein Teil eines jeden Menschen. Wir können diesen nicht entfliehen, wir können uns selbst nicht entfliehen.

Wo sonst also dann Trost finden? Wonach sehnen wir uns wirklich?

Enttäuscht auf dem Friedhof, ein Zwischenstopp auf der Heimkehr, finde ich die Ruhe. Umgeben von Statuen, von Skulpuren und Säulen, die an die Antike erinnern, setze ich mich auf eine Bank und starre bloß: Ich starre das leblose Gestein einfach an und fühle mich umgeben von all der Kunst, erholt von unseren Problemen. Ich denke beim Anblick auf die Säulen einfach über das Schöne nach!

Die wahre Schönheit erzieht, die wahre Schönheit verkörpert unsere Ideale und die wahre Schönheit ist ein subjektives Empfinden. Jede Skulptur, jedes Gemälde, jeder Gegenstand kann als schön oder hässlich empfunden werden. Es erfüllt aber immer denselben Zweck!

Inmitten dieser Gesteinsskulpturen verstand ich nun, was Goethe gemeint hat und was (für mich) das wahre Schöne ist: Das Schöne ist nicht immer, was man auf den ersten Blick als schön empfindet. Es ist erst dann etwas Schönes, wenn man es nicht zerstören kann, weil es einen in den Bann zieht, einen anstarrt und somit verhindert, unsere Triebe der Gewalt auszuleben. Eine schön empfundene Skulptur, ein Gemälde oder eine Statue kann man nicht mit Gewalt zerstören, weil sie einfach zu schön sind und uns verführen – wie ein Schutzschild vor Zerstörungen. Das Schöne zu zerstören, entspricht nicht dem Menschen. Derjenige, der es doch aus einen Grund tut, sei es aus Verzweiflung oder aus Zwang, der wird Reue zeigen, das Schöne zerstört zu haben. Denn dies erachten wir als wertvoll und als wichtig. Wertvolles und Wichtiges kann ein Mensch nicht mit gutem Gewissen zerstören. Es wird den Verantwortlichen eine Zeit lang verfolgen, er wird darüber nachdenken, dass es für immer verloren bleibt. Das Ewige wird ihn verfolgen. Dieser Gedanke des ewigen Verlustes wird ihn weiter verfolgen, bei der Vollrichtung von Alltäglichem, bis in den Schlaf hinein, bis in die entlegendste, tiefste Ecke unseres Traumes. So wird er aber auch zu einem besseren Menschen erzogen. Man kann nicht mehr zerstören, aber man kann denken! Die eigene Reue, die Demut vor der Schönheit, siegt vor unseren martialischen, barbarischen Gedanken. Erst dann lösen sich die Ketten einer innerlichen Gefangenschaft und wir schöpfen Kraft, um weiter das Martialische in der Welt ertragen zu können!

Nun kehre ich in die Zivilisation, in meine gemütlichen vier Wände zurück und fühle mich tatkräftiger als vorher und erholt von den uns zerfressenden Problemen dieser Welt!