Die 20er Jahre können gute Jahre werden. Überraschen wir uns einmal mehr damit, was wir können. Veränderungen zum Guten sind möglich, wenn wir uns offen und entschlossen auf Neues einlassen.

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Neujahrsansprache Silvester 31.12.2019

Pandemie, Krieg, Inflation, das Erstarken rechter Parteien, der Niedergang der Wirtschaft. Golden, wie die heute schon fast naiv anmutenden Worte der Alt-Bundeskanzlerin in Anlehnung an die Goldenen Zwanziger des letzten Jahrhunderts wohl nahelegen wollten, verspricht unser Jahrzehnt nicht zu werden. Realistischer scheint jetzt – gerade einmal drei Jahre nach jener Neujahrsansprache – ein anderes Szenario: die Wiederholung der krisenhaften Zuspitzung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft vom Ende der 1920er Jahre. Damit würde sich alles Schlechte der Geschichte wiederholen. Die Hoffnung auf „goldene Zwanziger“ müsste unter diesen Umständen als ein Fluch der Geschichte entlarvt werden

Es bestehen heute zahlreiche historische Parallelen zu den „Goldenen Zwanzigern“ des 20. Jahrhunderts. Bei diesem Gedankenspiel sollte jedoch bedacht werden, dass sich Geschichte niemals auf dieselbe Weise wiederholen kann und gesamtgeschichtliche Geschehnisse in ihrer Komplexität niemals gänzlich durchdrungen werden können. Aber man kann aus der Geschichte lernen. Wie wirken sich gleich gelagerte Probleme in verschiedenen Zeiten aus? Warum ist unsere Gesellschaft zu der geworden, die sie heute ist?

Die Probleme der 1920er Jahre

Anfang der 1920er Jahre raffte die spanische Grippe mehr Tote hin als im ganzen ersten Weltkrieg zusammen mit Schätzungsweise mindestens 20 Mio. Todesfälle in zwei Jahren, wohingegen in dem vierjährigen erstem Weltkrieg 17 Mio. Menschen ihr Leben verloren.

Zudem waren selbstverständlich noch Kriegswunden in der Bevölkerung bestehen geblieben und die Probleme der 1920er Jahre nagten sehr an der noch jungen Weimarer Republik. Das „Schanddiktat“ von Versailles sorgte für den gesellschaftlichen Missmut und für das Misstrauen an der neuen SPD-Regierung, da es noch zahlreiche konservative und kaisertreuen Deutsche gab, welche die Niederlage und die Schmach des Krieges nicht wahrhaben wollten, sich unter anderem hinter der Dolchstoßlegende versteckten und einen Sündenbock bei Minderheiten wie dem Judentum gesucht haben.

Reichsbanknote 1923

Außerdem sorgte die Hyperinflation der jungen Republik und der New Yorker Börsencrash für eine schlechte Stimmung in der Bevölkerung sowie für Armut und Elend. Die Arbeiter mussten schon am Morgen ihr Geld bekommen, um einkaufen zu gehen, weil es sonst am Abend nichts mehr wert war. Ein Liter Milch konnte damals um die Billionen Reichsmark kosten. Des Weiteren wurde die junge Republik mit einer hohen Arbeitslosigkeitsrate belastet. Die französische Besetzung des Ruhrgebiets – Deutschland hatte seine Reparationsverpflichtungen nicht erfüllt – verbesserte die Lage nicht unbedingt. 

Daher ist es nicht verwunderlich, dass rechte Parteien nach Ende des Ersten Weltkrieges einen Zulauf in Deutschland erlebten. Aber nicht nur rechte Parteien, wie die DAP (Deutsche Arbeiter Partei, später NSDAP), haben sich großer Beliebtheit erfreuen dürfen, auch die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands), eine linksextreme sowie demokratiefeindliche Partei, die Deutschland nach dem sowjetischem Vorbild umformen wollte, fand ihre Sympathisanten. Beide bildeten eigene Kampf- und Schlägertruppen, die ihre politischen Gegner einschüchtern oder gar auslöschen sollten. In der rechten Szene war vor allem die SA (Sturmabteilung) gefürchtet, bei den Linksextremen verbreitete der RFB (Roter Frontkämpferbund) Angst und Schrecken.

Was sind unsere aktuellen Herausforderungen?

Auch die 2020er Jahre sind durch zahlreiche Probleme gekennzeichnet:

Im März 2020 brach weltweit die Corona Pandemie aus und hat bisher 6,56 Mio. Menschen das Leben gekostet. Durch Impfungen und mit Hilfe der modernen Medizin gelingt es uns zwar, diese einzudämmen, aber sie wütet weiterhin und hinterlässt große wirtschaftliche sowie gesellschaftliche Spuren. Ihre Folgen sind vor allem eine geschwächte Wirtschaft, Inflation und eine hohe Staatsverschuldung.

Auch heute tobt wieder ein Krieg in Europa – bis vor kurzem unglaublich, aber jetzt Normalität. Auf europäischem Boden beginnt erneut das Töten und Abschlachten wider jeder Vernunft. Ein längst ad acta gelegter, aber nie gänzlich verschwundener russischer Imperialismus verbreitet wieder Angst und Schrecken in Europa. Die daraus resultierende Gas- und Energiekrise schwächt erneut unsere Wirtschaft. Die Inflation, welche bereits durch die Folgen der Corona-Krise beschleunigt wurde, nimmt rasant zu. Wir fürchten Wohlstandsverluste.

Laut Statistischem Bundesamt betrug die Inflationsrate im September 2022 um die 10 Prozent. Das heißt, hätte man vor einem Jahr 100€ zurückgelegt, wären diese 100€ heute nur noch 90€ wert. Wir haben heute zwar keine so hohe Arbeitslosigkeit und Hyperinflation wie vor 100 Jahren, aber dennoch ist eine so hohe Inflation für die Bevölkerung sowie Wirtschaft nicht von Vorteil.

Hinzu kommt, dass der Rechtspopulismus anscheinend seinen festen Platz in Europa gefunden hat. Schaut man sich nur die letzten europäischen Länderwahlen an, stellt man fest, dass eine rechte Gesinnung sowie eine rechtspopulistische Welle ganz Europa erfasst hat. Bei der französischen Präsidentenwahl 2022 bekam die rechtsextreme Marine Le Pen 41,5 Prozent aller Wählerstimmen. Le Pen weist eine zuwanderungsfeindliche sowie nationalistische Sicht auf und hetzt gegen die Europäischen Union. Des Weiteren lehnt sie eine multikulturelle Gesellschaft ab, spricht sich gegen Migration nach Frankreich aus, da sie dort eine Bedrohung für die innere Sicherheit sowie für die nationalen Werte sieht und und gehört der rechtsradikalen Partei Rassemblement National (früher: Front National) an. Rund 28 Prozent der Wahlberechtigten haben keine Stimme abgegeben. Als weiteres Beispiel lässt sich die italienische Ministerpräsidentenwahl 2022 anführen: Bei der rechtsradikalen Partei Fratelli d’Italia und ihrer Spitzenkandidatin Giorgia Meloni haben 44 Prozent aller Wähler ihr Kreuz getätigt und diese erreichte damit die absolute Mehrheit sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat. Mit einer Wahlbeteiligung von 63,9 Prozent ist dies die geringste in der italienischen Nachkriegsgeschichte, was nicht verwunderlich bei diesem Ergebnis ist.

Aber auch in Deutschland kann man diesen Trend in einigen Regionen verfolgen: Bei der Niedersachsenwahl 2022 hat die AfD (Alternative für Deutschland) einen Zuwachs von 4,7 Prozent verzeichnen können und insgesamt haben diese 10,9 Prozent aller Stimmen für sich gewinnen können. Darüber hinaus ist die AfD im Sächsischem Landtag zweitstärkste Kraft, minimal hinter der CDU, mit 27,5 Prozent aller Stimmen 2019.

Fazit

Die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts fangen jedenfalls nicht so “golden“ an, wie Angela Merkel es sich erträumt hat. Die Wirtschaft verzeichnet historisch starke Einbußen. Pandemie, Krieg, Inflation und die Stärkung rechtsnationaler und -radikaler Kreise prägen die ersten Jahre des begonnen Jahrzehnts: All das gab es auch in den 1920er Jahren. Was lehrt uns dies alles? Extremismus und Faschismus sollten nicht die Antwort auf alle Probleme sein. Eine nicht zu beantwortende Frage bleibt, ob die Folgen dieser Probleme auch so gravierend sein werden, wie sie es in den 1930er Jahre waren. 

Wie lautet eure Prognose? Wie denkt ihr über die 20er Jahre? Schreibt es gerne in die Kommentare!