„Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst“ – so lautet die Kernbotschaft einer bundesweiten Fernsehansprache von Angela Merkel, ausgestrahlt am 18. März 2020 zur Corona-Pandemie. Dieser Satz war an alle Bürgerinnen und Bürger Deutschlands gerichtet und doch ist er nun aktueller denn je für die CDU. Denn nach einem Verlust von 8,8 Prozent auf 24,1 Prozent der Stimmen, dem schlechtesten Wahlergebnis überhaupt bei einer Bundestagswahl für die Union, einer Selbstzerfleischung des Parteivorsitzenden Laschet durch Söder sowie der Gang in die Opposition, ist die Lage mehr als nur ernst. Und doch haben viele Unionspolitiker die Lage nicht ernst genommen und weiter gegen den Parteichef gepoltert, der ohnehin zurücktreten wird.

Die einstige Führungsrolle der Union liegt nun in einem Scherbenhaufen, geschaffen – nicht nur durch einen rot-grün-gelben Hammer, sondern auch durch eigene hausgemachte Intrigen à la House of Cards. Dafür bestraft der Wähler die CDU. Und zwar sehr: In einer aktuellen der Forschungsgruppe Wahlen vom 15. Oktober 2021 liegt die SPD bei 28 Prozent, die Union bei lediglich 19 Prozent, das erste Mal also unter der 20-Prozent-Marke. Die SPD hat also gut Lachen; die Rollen der zwei „kleinen Volksparteien“ wurden nun nämlich nach 16 Jahren Merkel-Kanzlerschaft quasi ausgetauscht. Dennoch sollten sich die Sozialdemokraten nicht allzu früh freuen. Ein Neuanfang der Christdemokraten, der sehr wohl zu schaffen wäre in den kommenden beiden Jahren, wird jedoch auch kein Selbstläufer sein.

Eines muss den Mitgliedern und der Union bewusst werden:

Die CDU muss konservativer werden. Allein schon, um der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bedenkt man, dass die AfD insgesamt 16 Direktmandate gewonnen hat und in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft geworden ist, dann liegt es nicht an der vermeintlichen Stärke einer AfD. Die hat nämlich fast ausschließlich auch im Osten verloren – bis auf Thüringen mit leichten Zugewinnen von 1,3 Prozent. Stattdessen hat die CDU in Thüringen 11,9 Prozent und in Sachsen 9,7 Prozent der Wählerschaft verloren.

Wenn die SPD mit einem stramm linken Wahlprogramm die Bundestagswahl gewinnt, wenn 48 Jungsozialisten nun ein Viertel der gesamten SPD-Bundestagsfraktion abbilden, sollte die CDU da nicht konservativer werden? Dieser Konservatismus birgt jedoch die große Gefahr, weiter Wähler an die SPD und die Grünen zu verlieren. Deswegen muss man typisch konservative Forderungen in der Innenpolitik – wie etwa eine kontrollierte Zuwanderung schaffen, Integration für diejenigen, die auch in Deutschland bleiben und auch härtere Strafen für Kriminelle aller Art und eine stärkere Autorisierung und Dominanz der Polizei – wieder mit der CDU verbinden können. Zugleich muss man sich auch stärker um die Bevölkerung auf dem Land kümmern. Der Ausbau des Internets und der Infrastruktur auf dem Land muss schnellstmöglich erfolgen, um diese z.T. arg vernachlässigten, bisweilen verwahrlosten Gebiete wieder attraktiver für die Bevölkerung zu machen. Denn damit würden auch mehr Unternehmen in ländliche Regionen ziehen wollen, was Arbeitsplätze schaffen würde. Des Weiteren sollten Landwirte, welche verantwortlich für die Versorgung eines Großteils der Bevölkerung sind, nicht mehr länger durch staatliche Regulierungen aller Art in ihrer Arbeit behindert, sondern stattdessen durch Subventionen weiter in ihrer Arbeit untersützt werden.

Jedoch nur noch auf konservative Positionen zu setzen und der AfD nur noch hinterherzulaufen, ist glatter politischer Selbstmord der CDU. Damit würde man mehr Wähler an die SPD und an die Grünen verlieren als man von der AfD hinzugewinnen könnte. Man darf also nicht die Zeichen der Zeit vergessen. Und diese stehen auf eine linksgrüne Konsumergesellschaft. Dies heißt nicht, dass die Union zu einer Lifestyle-Union mutieren sollte – das gliche ebenfalls einer totalen Selbstzersörung und wäre ein Verrat eigener Werte. Man muss sich aber in Anbetracht einer inhaltsleeren Programmatik der letzten Unionsjahre schon die Frage stellen, ob es überhaupt noch reicht, die ganze Partei in einer Person darzustellen. Das Privileg, keine Inhalte vorzustellen und stattdessen die Kanzlerin und die Bundesminister auf dem Präsentierteller der Wähler vorzulegen, ist nämlich für (mindestens) diese Legislaturperiode weggefallen.

Selbstverständlich muss die CDU daher auch sozialer werden. Sie wurde längst von vielen jungen Wählern als alt, fade und sozial kalt abgestempelt. Die CDU muss sich auch von dem Narrativ abgrenzen, man sollte die eine oder andere Forderung nicht unterstützen, nur weil sie von dem politischen Gegner kommt. Dies gilt sowohl für links als auch von rechts. Mit Traditionen kann man die älteren Stammwähler der CDU wieder erreichen, was aber nur ein verlängerter Arm in die Vergangenheit sein kann. Der Mindestlohn von zwölf Euro sollte daher endgültig untersützt werden. Führende Wirtschaftswissenschaftler widerlegen die von vielseitig verbreitete These, ein Mindestlohn von zwölf Euro schade dem wirtschaftlichen Wachstum. Zeitgleich muss die CDU ein eigenes Rentenprogramm vorstellen, welches den jetzigen demografischen Problemen des sog. „Generationenvertrages“ entgegensteuert. Nur so kann gewährleistet werden, dass man wieder sozial gehört wird und auch in der Sozialpolitik punkten kann. In der Sozialpolitik hat die SPD nämlich viele Wähler überzeugen können. Es ist also zu erkennen, dass jede Partei ein eigenes Leitbild hat: Die SPD und die LINKE verbindet man stets mit der Sozialpolitik, die Grünen mit Umwelt- und Klimaschutz, die FDP mit der Freiheit und die AfD mit dem Thema Zuwanderung. Welches Leitbild hat die CDU? Ordnung und Sicherheit. Die Leitbilder Ordnung und Sicherheit sollten an oberster Stelle, über allen anderen Themens stehen. Ordnung und Sicherheit in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Ordung und Sicherheit bei der Zuwanderung. Ordung und Sicherheit in der Klimapolitik.

Neben der inhaltlichen Neuafstellung muss sich die CDU aber auch personell neuaufstellen. Aber diesmal auch langfristig. Allein zwei Parteivorsitzende innerhalb kürzester Zeit hat man schon verschlissen. Das darf so nicht weitergehen! Der nächste Parteivorsitzende muss sich länger halten können als nur ein oder zwei Jahre. Der nächste Parteivorsitzende muss nämlich auch damit rechnen, Oppositionsführer zu werden und auch Kanzler werden zu können. Daher muss der nächste Parteivorsitzende jung genug sein, die nächsten Jahre den Parteivorsitz und vielleicht danach auch das Kanzleramt zu übernehmen und gleichzeitig bereits erfahren genug sein. Es spricht nun alles für einen Kandidaten, welcher über ein Bundestagsmandat verfügt und noch in der Lage ist, integrativ alle Parteiströmungen in der Union abbilden zu können. Mehr als denn je, muss er oder sie nämlich „den Laden zusammenhalten“ können und vermeiden, dass die CDU weiter Schaden nimmt.

Die Mitglieder wollen sich beteiligen, die Mitglieder sollten sich daher auch beteiligen können. Denn eine Partei, die auf deren eigenen Mitglieder nicht hört, gleicht in dieser Hinsicht z.B. einer SED und ist damit keine demokratische Partei mehr. Daher muss die CDU bei einer wirklich ernstgemeinten Neuaufstellung, den Parteivorsitzenden per Mitgliedervotum wählen lassen. Natürlich birgt dieses Verfahren seine Fallstricke. Es kann die Gräben noch offener legen, als sie es bereits sind. Es kann die Partei weiter spalten. Das große Potenzial ist aber, dass die Mitglieder Klarheit bekommen, für wen die Merheit der über 400.000 Mitglieder gestimmt haben, womit der Parteivorsitzende eine höhere Legitimation bekommt, als wenn 1000 Delegierte den Vorsitzenden wählen.

Es muss ein schneller und schmerzvoller Schnitt geschehen, welcher innerhalb weniger Monate die CDU personell und inhaltlich neu aufstellt. Dann sollte man sich aber wiederum den Sachthemen widmen, anstatt sich ständig eigene Probleme zu schaffen. Es wäre nämlich fatal, sich monatelang nur noch mit Köpfen zu beschäftigen. Das würde nur noch den selbstzersötererischen Stil der SPD annehmen und zu einem weiteren Sympathie-Verlust innerhalb der Bevölkerung führen. Stattdessen müssen alle Parteimitglieder, einschließlich der Basis und der Parteispitze Geschlossenheit suggerieren, sich nicht mehr mit Machtkämpfen und innerparteilichen Auseinandersetzungen zu begnügen.

So sollte man auch weiterkämpfen für die Erfolge der nächsten Landtagswahlen, um im Saarland, NRW und in Schleswig-Holstein wenigstens noch den Ministerpräsidenten halten zu können. Denn die nächste Bundesregierung, sie wird Fehler machen. Und eine erneuerte Union kann aus diesen Fehlern Kapitel schlagen.