Amerikanische Politik kann verrückt sein. Es gab Versuche der Wahlmanipulation (ausnahmsweise ist einmal nicht Trump gemeint, sondern Nixon), Tritte in Fettnäpfchen von Politikern im Wahlkampf, denen diese teuer zu stehen kam, aber auch ernste Momente (wie z.B. die Rede von George W. Bush am Abend des 11. September). Verückt und völlig abgedreht war die amerikanische Politik und das amerikanische System also immer schon in seiner Machart. Aber dennoch: Trotz aller Schwierigkeiten zwischen Demokraten und Republikanern, man hat stets denselben Eid auf dieselbe amerikanische Verfassung geschworen und diesselbe Verfassung auch verteidigt. Sonst gab es ohne Ende Unterschiede zwischen Demokraten und Republikanern, wie ein Fass ohne Boden. Aber die Aufgabe eines amerikanischen Politikers, über Parteigrenzen hinweg Kompromisse zu finden, blieb bestehen und bildete für einen Großteil der US-amerikansichen Geschichte – seit dem amerikansichen Bürgerkrieg – das Erfolgsrezept der Amerikaner, welches es erlaubte, die USA zu einer Supermacht aufsteigen zu lassen und gar über die Grenzen der Erde hinaus den Mond zu „erobern“. Der Zusammenhalt der Bürger und Politiker ist also das einfache und doch so erfolgreich wirksame Medikament, welches nahezu alle amerikanischen Probleme gelöst hat – bis dato.
Wenn man sich den jetzigen Präsidenten, Joe Biden, anschaut, einen 78 Jahren alten weißen Mann, welcher nun seit über 47 Jahren schon in der Politik tätig ist (als Senator von Wilmington Delaware, Vorsitzender der wichtigen Justiz- und Rechtsausschüsse und als Vizepräsident unter Barack Obama), so könnte man meinen, dass er als Präsident EINEN Staat repräsentiert, nämlich diejenigen Staaten der Demokraten. Wenn man nun seinen Gegenspieler, Donald Trump (ehemaliger Immobilienunternehmer aus Manhatten, New York City und 45. Präsident und aussichtsreichster Präsidentschaftsanwärter der Republikaner), betrachtet, so könnte man bei ihm wiederum behaupten, dass er doch de facto der Präsident der republikanischen Staaten ist. Es ist ganz einfach, diese absurd klingende Behauptung aufzustellen: Die Reden und Gesetzesentwürfe, die beide Politiker noch von sich geben, sind unterschiedlicher denn je. Zwar vertreten beide Präsidenten den protektionistischen Ansatz „Buy American“, aber da enden bereits die Gemeinsamkeiten und fangen auch schon die Unterschiede an: Biden will gegen den Klimawandel und die marode Infrastruktur vorgehen, indem er massive staatliche Investitionsprogramme vorschlägt, um die Investitionen von Unternehmen und privaten Investoren zu steigern. Trump dagegen bezweifelt den menschengemachten Klimawandel und sieht diesen „nur“ als eine Lüge „der Chinesen“ an, um deren Wirtschaft zu stärken. In Sachen Außenpolitik und (Nicht-)Untersützung von westlichen Allianzen, wie der NATO oder EU und/oder Despoten, wie Putin oder Kim Jong-un, muss man nicht einmal anfangen, darüber zu sprechen…
Am ehesten kann man noch von Biden behaupten, die USA beisammen zu halten. Die Einigkeit, die Seele der Nation zu retten und über Parteigrenzen hinweg Kompromisse zu schließen, all das hat er im Wahlkampf versprochen. Allein, dass diese doch so schwammigen Forderungen bei den Wählern gewirkt haben, zeigt, wie erfolgreich das Medikament doch so war, das Symptom Trump zu beseitigen. Aber dafür brachte es andere, vielleicht sogar noch schlimmere Symptome hervor. Denn das Symptom Trump wehrte sich, streute Lügen über angebliche Wahlmanipulationen und Betrugsvorwürfe. Und diese sogenannte „Big Lie“ ist nur die Spitze des Eisberges: Denn von QAnon und Pizzagate ist alles verrückte zusammengekommen, was sich die Republikaner nur ausdachten konnten, um Biden, Clinton, Obama und wen sonst noch, die für sie gefährlich werden könnten, als den Teufel höchstpersönlich darzustellen. Mit Wirkung: Trumps Wähler, seine Fans kaufen ihm alles ab und würden für ihn sogar sterben, was sich ausdrücklich beim Sturm auf das Kapitol gezeigt hat. Sie sind bereit, ihm zu folgen, für ihn zu kämpfen und für ihn zu sterben. Aber Wähler sind die eine Seite. Die Repräsentanten, Senatoren und Spitzenpolitker im Kongress, welche sich Trump unterwerfen müssen, um weiter an der Macht zu bleiben, sind das viel schlimmere Gegengift. Ein wesentlich schlimmeres Gegengift. Denn sie haben Trump einen Schwur gegeben: Biden blockieren. Überall, wo es geht, ihn blockieren. Dies kann man wieiderum auf eine ganz simple Formel reduzieren: Wenn Biden, und mit ihm die Demokraten, scheitert, gewinnen die Republikaner mit Trump. Dabei ist es den Republikanern faktisch egal, wie sehr sie das so sehr geliebte Land, als Supermacht verkommen lassen. Alles, nur um an der Macht zu bleiben. Dafür treten sie selbst die amerikanische Verfassung mit Füßen. Durch Änderungen an den Wahlgesetzen in Texas und Georgia und durch Wahlkreisbeschneidungen, können sie demokratische Wähler vom Wählen abhalten. Oder kurz gesagt: Fürs Wählen braucht man Zeit, Geld und eine weiße Hautfarbe.
Trump und die republikanischen Marionetten geben Biden quasi die Marschrichtung an, zwingen ihn, die USA weiter zu spalten, um sie zu retten. Dies kann er nur schaffen, wenn er Erfolge vorzuzeigen hat und seine Agenda durchsetzen kann. Seine Gesetze kann er aber nur durchsetzen, wenn er eine Mehrheit im US-Repräsentantenhaus und im Senat hat. Letztere bröckelt. Und um doch noch irgendiwe einzelne Gesetze im Kongress durchzuboxen, muss er die USA weiter spalten und seine Wähler mobilisieren. Und damit von seinem Wahlversprechen abkommen, die Spaltungen der USA zu heilen. Egal, was Biden also tut: Mit jedem Gesetz, bringt er ca. die Hälfte der US-Amerikaner gegen sich auf und spaltet die USA immer weiter: EIne Win-Win-Situation für die Republikaner und Trump. Biden kann nichts tun. Er kann nur noch verlieren. Und mit ihm die US-Demokratie.