Spannende Entdeckungen machte der Lateinkurs der 10ac, als er Anfang 2024 Bochumer Boden betrat, um den Workshop „Alles was Recht ist!?” des Schülerlabors der Ruhr-Universität zu besuchen.

Recht und Unrecht, Schuld und Mitschuld – juristische Fragen, mit denen sich bereits auch die Römer beschäftigten: Wie bildeten die Römer ihr „eigenes” Rechtssystem? Wie sah die Juristenausbildung vor 2000 Jahren aus? Wie sieht ein Jura-Studium heutzutage aus?

In Begleitung von Herrn Thomé und Herrn Stappert fahren wir von Duisburg aus mit Bus und Bahn bis auf den Campus der Ruhr-Universität in Bochum. Am Treffpunkt angelangt, werden wir von Lea Jehn, einer Mitarbeiterin des Lehrstuhlteams von Prof. Dr. Fabian Klinck, empfangen. Zu diesen und noch weiteren Fragen lernten wir – der Lateinkurs der Klassen 10a und 10c – eine ganze Menge:

Zuerst erklärt uns Frau Jehn, was wir an dem Tag zusammen lernen und unternehmen und wann unsere Pausen stattfinden werden. Außerdem verteilt sie Bögen, so genannte Reader, auf denen Auszüge römischer und aktueller Gesetze abgedruckt sind, die wir für eine spätere Arbeitsphase benötigen. Als Frau Jehn im Anschluss an ihre Ausführungen danach fragt, wer später den Beruf als Anwalt anstrebt oder sich sogar bereits ein wenig mit dem juristischen System auskennt, sehe ich, wie doch so einige Finger hochgehen.

Was verstehen wir eigentlich unter dem Begriff „Recht“, beziehungsweise „Römisches Recht“? Um diese Frage zu beantworten schauen wir uns die Anfänge des Römisches Reiches in einem kleinem vortragsartigem Rückblick zusammen an.

Bereits seit der Gründung Roms scheint die Römer geradezu eine Sehnsucht nach Recht und Ordnung umgetrieben zu haben. Inspiriert von den Griechen und anderen unterworfenen Völkern begründeten sie ihr „Altrömisches Recht“. In dieser Zeit entstand die grundlegende Zwölftafelgesetzgebung. Auf das altrömische Recht folgten das vorklassische Recht, später das klassische und nachklassische Recht. Das klassische Recht ist das letzte juristische Recht, das die Römer selbst entwickelten. Diese Phase wird auch oft als Blütezeit der römischen Rechtwissenschaft bezeichnet, da in dieser Zeit grundlegende Gesetze formuliert wurden. Viele römische Juristen suchten sich die Crème de la Crème aus den verschiedensten Gesetzbüchern aus und „bastelten“ ihre eigene Rechtsauslegung daraus.

Daraufhin kommen wir zu unserem ersten Sachverhalt, der beurteilt werden will: Ein Herr T. bringt das Pferd von einem Herrn O. dazu, von einer Koppel über eine Klippe in den Tod zu springen. Dabei ist zu bedenken, dass die Koppel nicht eingezäunt war und das Pferd zu dieser Zeit von Herrn O. allein gelassen wurde, Herr T. aber Herrn O. Schlechtes wollte und das Pferd absichtlich mit lauten Rufen verängstigte.

In Kleingruppen arbeiteten wir uns in die damalige und heutige Gesetzgebung ein, wobei wir jede Menge über das heutige Rechtssystem und seine Ursprünge lernten.

Anschließend geht es in unsere erste Pause mit der Aufgabe, die ersten Seiten des Readers mit den römischen Gesetzen zu lesen und die für eine Beurteilung des Streitfalls passenden Gesetze zu markieren. Dafür dürfen wir uns in Kleingruppen frei in der Universität bewegen, natürlich ohne die regulären Studenten zu stören oder zu weit weg zu gehen.

Meine Freundinnen und ich nehmen in einer kleinen Cafeteria Platz, verzehren ein paar Snacks und lesen fleißig unsere Reader. Kleiner Haken: Bei der kleinen Cafeteria (es gibt eine noch eine wesentlich größere Mensa) der Universität kann man nur mit Karte zahlen. Sehr ungewohnt für uns, da wir an unserer Schul-Cafeteria ausschließlich bar bezahlen können.

Nach der Pause unterscheiden wir zwei Klagetypen: die lex Aquilia von der actio utilis. Lex Aquilia bedeutet auf Deutsch Gesetz des Aquilius  und war der Vorläufer unseres heutigen Schadensersatzrechts. Wenn jemand im Alten Rom beispielsweise dein Lamm oder Sklaven (denn Letztere waren im Römischen Reich Tieren gleichgestellt) trat, kannst du mit diesem Gesetz bei widerrechtlichen Schaden Entschädigung verlangen. Actio utilis bedeutet so viel wie „zweckdienliche Klage”. Bei der actio utilis bestimmen die Juristen die . Bei unserem Beschluss kam raus, dass Herr T. Schadensersatz in Höhe von dem Geld, dass Herr O. mit seinem Pferd in dem Jahr verdienen könnte, zahlen muss. Dabei trägt Herr T. die alleinige Schuld an dem Geschehen. 

Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Auszug aus einem juristischen Lehrbuch arbeiten wir, um denselben Sachverhalt, so wie es heutzutage üblich ist, zu lösen. Anders als im Römischen Recht werden Tiere nicht als Sachen angesehen und „[…] durch besondere Gesetze geschützt” (Auszug aus § 90a BGB zum Stichwort „Tiere“). Erstaunlicherweise sind einige sich ähnelnde Gesetze sowohl im BGB als auch im Römischen Recht zu finden: Die lex Aquilia sowie § 276 BGB meinen, dass der Schuldner für seine Fahrlässigkeit (culpa) verklagt werden kann.  Obwohl es verschiedene Meinungen gibt, als am Ende eine Abfrage nach Höhe und Art des Schadensersatzes stattfindet, dürfen wir unser Urteil nicht mehr ändern. Das von uns gefällte Urteil gilt also. Das heißt im Fall meiner Gruppe: Herr T. ist schuldig und muss für den Schaden zahlen, jedoch nicht für den Jahrespreis, sondern die Höhe, die für den Zeitpunkt gilt, an dem das Tier gestorben ist. 

Trotz für uns durchaus erstaunlicher Gemeinsamkeiten zwischen damaligen und aktuellen Gesetzen unterscheidet sich die Juristenausbildung von der vor 2000 Jahren. Frau Jehn zeigt uns den Aufbau eines Studiums eines angehenden Juristen. Man erlernt Rechtswissenschaften in einem Grundstudium mit zehn Semestern und legt zwei juristische Staatsexamina ab. Wenn man diese bestanden hat, darf man sich als „Volljurist“ bezeichnen. Zum Schluss bedanken wir uns bei Frau Jehn und machen zusammen mit Herrn Stappert eine kleine „Tour“ durch die Universität.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass uns die Exkursion sehr gefallen hat und wir „Alles was Recht ist“ weiter empfehlen. „Aber ich mag doch gar kein Latein.“ – ist hier keine legitime Ausrede. Die Exkursion gibt einen guten Einblick in die Grundlagen der Rechtswissenschaft, insbesondere des Studiums. Aber auch im Alltag und im Unterricht kann man das Gelernte gut nutzen. Um es mit Senecas Worten zu sagen: „Non scholae, sed vitae discimus“!

Wohin ging eure letzte Exkursion? Könntet ihr euch vorstellen, Jura zu studieren? Wusstet ihr, dass unserer Rechtssystem antike Ursprünge hat? Hinterlasst eure Gedanken gerne als Kommentare!