Genau 130 Jahre Kaiserflair in Homberg! Solange gibt es den Bismarckplatz im Herzen Alt-Hombergs schon. Über ihn laufen täglich auch Hunderte von Schülern des FHGs. Doch seine Geschichte ist vielen Hombergern nicht bekannt. Deshalb soll nun die Historie des Bismarckplatzes beleuchtet werden:
Anlässlich des 80. Geburtstages von Fürst Otto von Bismarck wurde der Pattbergplatz am 1. April 1895 auf Vorschlag des hiesigen Kriegervereins in Bismarckplatz umbenannt und eine Bismarckeiche zur Erinnerung „an den Begründer des deutschen Reiches“ (originale Gedenktafel) gepflanzt.

Bismarck – Vater der Nation?

Doch wer war Namensstifter Bismarck überhaupt? Bismarck (1812-1898) war der erste Reichskanzler des Deutschen Kaiserreiches und mit dem Namen klingen viele positive aber auch negative Aspekte mit.
Deutschland existierte so zuvor nicht, sondern war ein Flickenteppich aus vielen Kleinstaaten und vielen souveränen Fürstentümern. Nach dem Ende der Ära Napoleons und der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1815, die das bürgerliche Rechts- sowie politische System restaurierten und so weitesgehend den feudalen Absolutismus wiedereinführten, gründete sich der Deutsche Bund, ein loser Staatenbund der deutschen Länder unter der Führung Österreichs, dem auch das aufstrebende Preußen unter König Wilhelm II. angehörte. Seit dem Preußischen Verfassungskonflikt 1864 war Bismarck preußischer Ministerpräsident und damit als Regierungschef direkt dem König unterstellt. Bismarck, der seine Ziele stets realpolitisch verfolgte, nutzte eine aggressive Kriegs- und Außenpolitik und führte Preußen auf diese Weise in einige Kriege. Einerseits schaffte Bismarck ein geeintes Deutsches Reich im preußischen Interesse, aber verfolgte auch eine harte, blutige und kompromisslose Politik, die innenpolitisch vor allem zur Verfolgung von Minderheiten wie Katholiken oder Sozialisten führte, und außenpolitisch Krieg als legitimes Mittel zur Durchsetzung des eigenen Willens betrachtete. Andererseits ist der Name Bismarck auch mit der ersten gesetzlichen Sozialversicherung verbunden und der langsamen Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Bismarck war daher schon zu seiner Zeit ein sehr beliebter, aber auch kontroverser Politiker und wurde deshalb besonders durch den beginnenden Aufbau von Städten im Zuge des industriellen Fortschritts und des prosperierenden Bürgertums bei der Benennung von Plätzen und dem Bau von Denkmälern in der Gründerzeit gewürdigt. Ihm hängt zudem durch seine politischen Erfolge der Nimbus, Stifter und Vater der Nation zu sein, an.
Am Ende des 19. Jahrhunderts, in der Gründerzeit, erlebte auch das niederrheinische Homberg seinen wirtschaftlich-bürgerlichen Aufschwung und konnte den Bau neuer Denkmäler und Plätze in Homberg als Zeichen wirtschaftlicher Blüte veranlassen.
Der Marktbrunnen – Komps Traut

1913 spendete der Maschinenfabrikant Josef Schmitz, Gründer der Homberger Firma Schmitz & Söhne, der Gemeinde einen Marktbrunnen und beauftragte den Dresdner Bildhauer Carl Brose mit der Fertigung eines Brunnens, der die vier Entwicklungsfaktoren und Lebenselemente Hombergs an den seitlichen Reliefs ausdrücken sollte und auf dessen Sockel eine Bronzestatue, die Glücksgöttin Fortuna, triumphieren sollte, die mit ihren beiden goldenen reichen Füllhörnern Glück über die Lebensadern der Gemeinde fließen lässt, die zum Aufblühen Hombergs geführt haben: Landwirtschaft, Bergbau, Schiffahrt und Industrie. In jedem Bronzerelief haben sich einflussreiche und bedeutende Homberger verewigen lassen.




Anlässlich des 25-jährigen Thronjubiläums Kaiser Wilhelm II. wurde der Brunnen am 16. Juni 1913 enthüllt.

Die Statue, welche die Homberger aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit einer stadtbekannten Dame als „Komps Traut“ bezeichneten, endete 1940 als Metallspende des deutschen Volkes an die Wehrmacht. In Rahmen der Umgestaltung des Bismarckplatz mussten 1955 auch die restlichen Brunnenteile weichen und wurden übers Stadtgebiet verstreut.
1990 gelang es durch das Engagement des Freundeskreis Historisches Homberg den Marktbrunnen wieder aufzubauen. Die originalen Brunnenteile wurden aufgetrieben, zusammengefügt und durch Spendengelder von 150.000 Mark – insbesondere der Firma Sachtleben (heute: Venator) – eine neue Fortuna gestiftet, die fortan Homberg wieder ihr Glück schenken soll.
Am 8. September 1990, in jenem Jubiläumsjahr, in dem auch die deutsche Teilung überwunden wurde, enthüllte der Freundeskreis feierlich den neuen Brunnen. Das alljährliche Brunnenfest im Sommer ist Ausdruck dieser lokalen Verbundenheit mit Homberg und dem langen Weg zum alten Brunnen.


Herzlichen Dank an den Freundeskreis Historisches Homberg e. V., der mir vor rund einem Jahr Einblick ins Archiv und die nötigen Primärquellen gewährt hatte.
Ein sehr interessanter Beitrag!