Wir alle stehen jeden Morgen früh auf, fahren zur Arbeit oder zur Schule und kommen am späten Nachmittag oder am Abend zurück. Ab und zu hört man vom Chaos dieser verrückten Welt: Corona, Ukraine-Krieg, Wirtschaftskrise… Die Liste könnte noch weiter fortgesetzt werden. Häufig fallen da die Worte „Macht“, „Kontrolle“ und „Intrigen“. Warum ist das aber alles so wichtig?

Nun, all diese Aspekte finden sich in dem Stück „Ein Experiment“, das der diesjährige Literaturkurs unter der Leitung von Frau Logermann und Frau Snitjer im „KOM’MA-Theater“ auf die Bühne brachte, wieder. Das Ergebnis des Experiments: Ein bittersüßer Auftritt.

Am Anfang wird eine Diskussion zwischen drei Beobachtern gezeigt, die sich über das Experiments streiten. Dieses bleibt zwar noch im Dunkeln, aber schon zu diesem Zeitpunkt bietet sich eine ethische Debatte an. Zentrale Frage: Was darf die Wissenschaft tun und wo überschreitet sie die Grenzen? Die Beobachter repräsentieren ironischerweise die Gesellschaft. Während der erste als Hardliner die Wissenschaft beinahe als eine Religion predigt, macht sich der zweite Sorgen um die Legitimation des Experiments. Der dritte Beobachter unterstützt naiv das Experiment aus bloßer Neugier.

Zu Beginn des Experiments findet sich eine Gruppe Jugendlicher in einem Lagerhaus wieder, deren einzige Gemeinsamkeit mit einer Ausnahme ihre Sync-Armbänder sind, die in verschiedenen Farben leuchten und so den sozialen Status des Trägers anzeigen. Es entsteht eine Gruppenrivalität, die sich verschärft, als sie Laserpointer finden, mit denen die Armbandfarben und damit der soziale Status bestimmt werden kann. Damit wird ein weiteres Thema fast jeder Schule entblößt: Mobbing. Die Loyalität der „starken“ Gruppe mit gelben Armbändern gegenüber ihrer Anführerin Maja eröffnet außerdem die Tür zu einer dunklen Zeitperiode deutscher Geschichte: dem Nationalsozialismus. Mit dem ihr verliehenen schwarzen und damit höchsten Status wird sie als Anführerin auserkoren. Folge: bedingungsloser Gehorsam und eine Gruppenhierarchie.

Aber über was reden wir hier eigentlich? Die wahre Macht hat nicht Maja, welche nur eine Marionette einer höheren Instanz ist: der Wissenschaftler. Diese diskutieren auf einer höheren Bühne, spielen quasi Gott, indem sie die Jugendlichen mit den Armbandfarbe zu ihren Zwecken beeinflussen. Denn: Wer die Massen kontrolliert, hat die Macht! Auch unter den Wissenschaftlern tobt so ein Kampf um Macht – die Weltherrschaft. Der Ausgang ist schockierend und verleiht das nötige Gänsehaut-Feeling, um noch am Abend an das Ende zu denken. Ein Meisterstück zynischer Gesellschaftskritik.

Jedoch erwies sich im Gespräch mit dem Publikum der Zweck der Armbänder bzw. ihrer Farbkategorien als zu undurchsichtig erklärt. Welche Farbe bedeutet was? Zudem war es schwer zu erahnen, welche Funktion die Beobachter hatten. Waren es ebenfalls Wissenschaftler? Oder Freiwillige, die zur Beobachtung herangezogen wurden? Man wusste es nicht ganz so genau…

Jedoch relativiert dies nicht die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler. Diese ist nämlich grandios und zeigt noch einmal, wie viel Mühe sich die Schülerinnen und Schüler bei der Performance gegeben haben. Jede einzelne Geste und Handbewegung wirkt perfekt eingeübt. Die Gruppenrivalität wird weder übertrieben noch zu langweilig dargestellt. Es werden die nötigen Emotionen reingebracht, um Spannung und Mitgefühl zu erzeugen. Daran erkennt man, wie viel Spaß es dem Kurs gemacht hat, das Stück zu erarbeiten und aufzuführen. Die Mühe der Schülerinnen und Schüler hat sich auf jeden Fall gelohnt, was der dazugehörige, laute Applaus auch gezeigt hat.

Zudem offenbaren die Monologe der Wissenschaftler die wahre Intention des Experiments und zeigen durch deren zynischen Darstellung, wie real das Gesagte doch ist.Um mich kurz zu fassen: Wir leben alle mit einem Armband. Die meisten mit einem gelben, ein kleiner Teil mit einem blauen Status. Ein noch kleinerer mit einem schwarzen … Und wir alle werden kontrolliert! In diesem Sinne, für alle machthungrigen, Politiker, Diktatoren, Medienlobbyisten und den einen oder anderen Wissenschaftler: ein „erfolgreiches“ Experiment!